Alles hat ein Ende – unser Fazit nach 6 Wochen Leben im Limit des Bürgergeldes
Ende März stellten wir uns die Frage, ob es möglich ist, mit dem für Lebensmittel vorgesehenem Anteil des Bürgergeldes eine gesunde Ernährung hinzubekommen. Diese Frage mündete schnell in weiteren Fragen, ob die anderen Positionen ausreichend sind und letztlich, ob der Regelsatz für uns 3 ausreicht, unsere gesamten Kosten zu decken.
Für den Monat März standen uns für Lebensmittel maximal 433,76 EUR zur Verfügung. Die Ausgaben für unsere Lebensmittel (einschließlich Alkohol und Süßigkeiten) habe ich nachfolgend nochmals meiner Berechnung der einzelnen Mahlzeiten gegenübergestellt.
Ausgaben für Lebensmittel vom 01.04.2023 bis 30.04.2023 | Berechnung der täglichen Mahlzeiten vom 01.04.2023 bis 30.04.2023 |
368,56 EUR | 275,46 EUR |
Meine Berechnung der tatsächlich verzehrten Mahlzeiten weicht knapp 100 EUR von den Einkäufen ab. Liegt sicherlich einerseits an Rundungsfehlern bei der Berechnung einer Mahlzeit andererseits haben wir noch Vorrat aus den Einkäufen und im April gar nicht alles aufgegessen, was wir eingekauft hatten.
Was haben wir herausgefunden?
Eine gesunde ausgewogene Ernährung ist definitiv möglich und wir hätten nach Deckung aller monatlichen Kosten sogar noch ca. 300 EUR übrig. Eine Berechnung hatte ich dazu in diesem Beitrag vorgenommen. Wir mussten in keinem Lebensbereich Einschränkungen vornehmen oder gar verzichten.
Ich hatte schon vorab erwähnt, dass ich tatsächlich ein anderes Ergebnis erwartet hätte. Ich war mir so sicher, dass das Geld nicht ausreicht. Jetzt muss ich sagen, dass jeder Sozialverband auf sehr hohem Niveau jammert, wenn er behauptet, es sei zu wenig. Wobei es allerdings darauf ankommt für welche Personengruppe ein Sozialverband „mehr“ rausholen will.
Und genau hier liegt meine große Kritik am Bürgergeld. Zwar wird gesetzlich zwischen „erwerbsfähigen“ (SGBII) und „erwerbsunfähigen“ (SGBXII) Empfängern unterschieden, jedoch nicht finanziell. Und dass geht meiner Meinung nach überhaupt nicht.
Erwerbsfähig, bedeutet, die Person ist in der Lage einer Arbeit nachzugehen und somit fähig für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
Das Bürgergeld ist bei dieser Personengruppe lediglich als vorübergehende Leistung zu betrachten, für den Fall, dass eine Arbeitslosigkeit eintritt. Hier sehe ich den Staat nur in der Verpflichtung, für das Nötigste zu sorgen. Heißt das Dach über dem Kopf muss gesichert sein sowie Bekleidung und Lebensmittel und auch die Kosten für ein Auto, da es einfach unentbehrlich zur Arbeitsaufnahme ist. Also im Endeffekt all das, was jetzt das Bürgergeld bietet. Wem das zu wenig ist, kann arbeiten und wer nicht arbeiten will, muss damit halt zurecht kommen.
Auf der anderen Seite stehen die Erwerbsunfähigen, die Menschen, die aufgrund Krankheit, Alter, Behinderung keiner Arbeit mehr nachkommen können.
Hier muss der Staat eine viel höhere Leistung erbringen. Er muss diesen Menschen nicht nur das Allernötigste sichern, sondern ihnen ein Leben in der Mitte der Gesellschaft, mit Teilnahme an kulturellen Ereignissen und hoher Lebensqualität ermöglichen. Ernsthaft, ein Rentner hat 40 bis 45 Jahre seine Arbeitskraft für unsere Gesellschaft eingesetzt, hat Steuern und Sozialversicherungen gezahlt und ist dann im Alter auf Sozialleistungen angewiesen. Das ist würde- und respektlos und ein absolutes NoGo.
Ich arbeite aktuell im Pflegeheim. Der Eigenanteil an einem Pflegeplatz beträgt durchschnittlich 2300 EUR/Monat. DER EIGENANTEIL.
Ein Haus, das nun endlich abbezahlt ist, muss verkauft werden, um die Kosten zu decken.
Falls gar kein Kapital/Immobilie vorhanden ist, springt zwar der Staat für den Eigenanteil ein und dem Bewohner bleiben glatte 10 EUR pro Woche Taschengeld. Ich schäme mich so unglaublich für unser Sozialsystem.
Und glaubt mir, im Pflegeheim sind nicht nur Menschen, die sowieso nichts mehr mitbekommen oder schon superalt sind.
Jede Zeit ist Lebenszeit egal ob noch feiernd auf der Terrasse oder bettlägerig im Altenheim. Es ist unsere Pflicht als Gemeinschaft, dass diese Zeit für jeden Rentner ausgefüllt und schön ist. Ich glaube das nennt man Solidarität, die ist nämlich nicht nur auf Impfungen beschränkt.
Neulich im Supermarkt sprach mich ein alter Mann an, ob ich ihm die Preise der Kuchen in der Tiefkühltruhe vorlesen kann. Ich merkte, wie er rechnete und überlegete. Er erzählte mir dann, dass er am Sonntag 94 Jahre alt wird und sich so gern eine Donauwelle kaufen würde. Aber es sei so teuer.
In was für einem Land leben wir, dass sich ein Rentner nicht mal mehr einen Geburtstagskuchen leisten kann? Hier muss dringend nachgebessert werden. Einerseits bei der Grundsicherung nach dem SGB XII und andererseits auch bei den Renten. Die Durchschnittsrente einer Frau liegt bei 600 EUR, die eines Mannes bei 800 EUR. Dafür haben sie gearbeitet und Kinder erzogen. Lediglich 50 Menschen in Deutschland erhalten eine gesetzliche Rente über 3000 EUR. (Rein rechnerisch muss man dafür übrigens 45 Jahre ca. 90.000 EUR pro Jahr verdienen).
Ob du willst oder nicht, auch du wirst einmal alt und wirst nicht mehr arbeiten können. Es wäre also klug, jetzt dafür aufzustehen und laut zu schreien, damit unser Rentensystem geändert wird. Die wenigsten Rentner liegen in Spanien am Strand. Die Realität sieht eher anders aus und das Sitzen im Wartezimmer eines Arztes ist wahrscheinlicher als das Sitzen auf einer Sonnenliege.
Daher reagiere ich sehr allergisch auf die Sätze „Das mach ich, wenn ich in Rente bin.“ Ich wünsche es dir. Ich persönlich lebe lieber jetzt schon, ohne Rollator und dritte Zähne.
Ein weiterer Kritikpunkt beim Bürgergeld sind die Kinder.
Kinder sollten nicht darunter leiden müssen, dass ihre Eltern gewollt oder ungewollt keiner Arbeit nachgehen. Kinder sind die Fachkräfte von morgen. Hier wäre mein Vorschlag zweckgebundene Gutscheine für Kleidung und Elektronikartikel auszugeben. Kinder sollten die Möglichkeit haben, sich weder durch Kleidung noch „Handybesitz“ von den Klassenkameraden zu unterscheiden. So beginnt Chancengleichheit. Auch wenn wir es gern vertuschen und schön reden, jeder der Kinder hat, weiß doch was auf Schulhöfen abgeht.
Mein Fazit:
Bürgergeld für Erwerbsfähige ist ausreichend.
zusätzliche zweckgebundene Gutscheine für angemessene und trendige Kinderkleidung und -elektronik.
Grundsicherung für Rentner und andere Erwerbsunfähige mindestens verdoppeln, am besten jedoch unser Rentensystem ändern, damit Rentner, die ein Leben lang gearbeitet haben, nicht plötzlich gezwungen werden, Sozialleistungen zu beantragen. Eine REFORM reicht hier nicht aus. Das zeigt die eingeführte Grundrente, deren Voraussetzungen unerfüllbar sind und sie im Endeffekt als sinnlos auf den Steuerverschwendungshaufen kann.
Ich bin froh, dass unser Versuch nun endet. Es hat Spaß gemacht, doch das ausrechnen der einzelnen Mahlzeiten. Never ever again.
Ich bedanke mich für euer Interesse und den regen Austausch. Jeder Beitrag zum Bürgergeld hatte eine Reichweite von ca. 700 Lesern. Meinen herzlichen Dank an alle stillen und lauten Leser, die mich auf unserem Experiment begleitet haben.
Anmerkung: Monatssatz für Nahrung, Getränke und Tabak beträgt 34,7 % des jeweiligen Regelsatzes. Für uns ergeben sich somit 156,50 EUR (Frank), 156,50 EUR (Rosi), 120,7 EUR (Luna), 433,76 EUR gesamt. Auf 31 Tage verteilt somit 13,99 EUR/Tag, bei 30 Tagen sind es 14,46 EUR/Tag. Wir ernähren uns ausschließlich vegetarisch/vegan.