Auszug aus dem Wohnmobil – Einzug in die Wohnung –
Seit einem Monat sind wir sesshaft. Mein Bauchgefühl verstärkte sich im April und so mieteten wir noch von Portugal eine Wohnung in Mecklenburg-Vorpommern an. In einem Ort, den wir ebenfalls nur nach Bauchgefühl und Satellitenbildern auswählten. Im Nachhinein das Verrückteste und Mutigste, was wir in den letzten 3 Jahren getan haben.
Unser vorerst letzter Reiseschritt begann am 3.5. Wir kehrten Portugal den Rücken, fuhren durch ein geisterhaftes Spanien in ein rebellisches Frankreich. Am 9.5. überquerten wir die deutsche Grenze. Eine riesige Last fiel von mir ab und ich merkte in diesem Moment, wieviel Kraft mich die letzten 9 Wochen gekostet hatten.
Nun blieb noch die Frage der Quarantäne für Rückkehrer. Diese erledigte sich von selbst, denn am 11.5. wurde sie vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg gekippt und in Niedersachsen gab es diese Pflicht nicht mehr. Somit blieben wir bis 25.5. in Hannover, trafen unsere Freunde und Kinder und sammelten Möbel über Kleinanzeigen ein. Bis auf Kühlschrank, Waschmaschine und Matratzen haben wir alles kostenlos zusammengesammelt.
Auf der Fahrt Richtung Mecklenburg-Vorpommern kamen mir erstmals Zweifel, ob das alles so richtig sei. Diese zerstreuten sich auf den letzten 50 km. Wir fuhren durch eine so wunderschöne grüne Landschaft mit Seen und dünner Besiedlung, dass ich immer entspannter wurde. Die letzten 7 km führten uns durch einen alten Mischwald und uns wurde klar, warum es Mecklenburgische Schweiz heißt. Das ist hügelig.
Wir dachten erst, wir hatten uns verfahren, weil wir nicht glauben konnten, dass es hier eine Siedlung geben soll. Doch dann lag unser Haus plötzlich vor uns, auf einem Hügel. Ein Platz, wie wir ihn mit dem Wohnmobil definitiv angefahren hätten. Ein herrlicher Weitblick über Felder und Wälder bis zu den Nachbardörfern. Wir sehen den Sonnenaufgang und -untergang am Horizont. Die Peene ist nur 1 km mit einem Badestrand entfernt. Der Kummerower See nur 4 km. Ein kleiner Waldteich, in dem früher Ton abgebaut wurde ein paar Minuten entfernt. In unserem Alltag brauchen wir nur das Fahrrad. Wir haben die schönsten Wanderwege vor der Haustür und können Wassersport in jeder erdenklichen Form betreiben. Wir sind zu Hause.
Unsere kleine Siedlung umfasst ca. 30 Menschen mit vielen Kindern. Luna war schon am ersten Tag verschwunden und düst mit ihren neuen Freunden durch die weitläufige Landschaft. Sie ist in den letzten Wochen unglaublich selbständig geworden. Am meisten freut sie sich über ihr eigenes Zimmer. Die Möbel standen noch nicht einmal, da hing schon ein Schild an der Tür: ANKLOPFEN
Für die Schulpflicht haben wir ebenfalls eine Lösung gefunden. Luna äußerte schon Ende letzten Jahres, sie wolle Schule ausprobieren. Nun das ist natürlich schwer, denn ein Ausprobieren gibt es bei Schule nicht. Doch unsere kleine Stadt bietet einen ganz besonderen Lernort, der als Ersatzschule anerkannt ist. Lediglich 18 „Schüler“ besuchen ihn. Es gibt Themenräume statt Klassenräume, die Kinder bestimmen den Lerninhalt, es gibt Lernbegleiter statt Lehrer, Frontalunterricht sucht man vergeblich. Wir waren bereits 2 x dort und sowohl wir als auch Luna sind begeistert. Dass wir die richtige Wahl getroffen haben, bestätigen auch die unsere Nachbarn. Wenn sie hören, wo Luna zur Schule geht, schlagen sie die Hände über den Kopf zusammen und sagen: „Oh nein, da lernt sie doch nichts. Die dürfen den ganzen Tag machen was sie wollen. Es gibt nicht mal Noten.“
Nun leben wir dort, wo andere Urlaub machen. In einer der schönsten Gegenden Deutschlands. Unsere Wohnung lieben wir, obwohl sie etwas zu groß ist. Von den 3 Zimmern nutzen wir tatsächlich nur 2. Wie lange wir wohnen bleiben, ob wir nicht doch wieder reisen usw. können wir aktuelle nicht abschätzen. Jetzt ist alles richtig so wie es ist.
Viele verstehen nicht, warum wir ausgerechnet Deutschland ausgewählt haben, immerhin können wir leben wo wir wollen. Es gibt nur 2 Länder in denen ich mir vorstellen könnte zu leben: Frankreich und Portugal. Bei beiden spricht die Sprachbarriere dagegen. Mehr als zu einem Smalltalk reichen unsere Sprachkenntnisse nicht und so schnell ist gerade portugiesisch nicht gelernt. Ich quäle mich schon seit 3 Jahren damit. Mir ist es jedoch wichtig, mich unterhalten zu können, ohne ständig Hände und Füße zu Hilfe zu nehmen. Natürlich könnte man in die deutschen Einwanderergebiete ziehen, aber dann ist auch kein Unterschied mehr, ob ich in McPom oder Portugal lebe. Außer dem Klima und das ist mir in Portugal im Sommer zu heiß, viel zu heiß. Wer die Sommersonne in Portugal noch nicht erlebt hat, weiß nicht, wie grausam sie sein kann über Monate hinweg und wie hässlich vertrocknet das Land aussieht. Da ist Deutschland wirklich schöner. Frankreich scheidet aus, weil die Lebenshaltungskosten unglaublich hoch sind. Es ist uns schlichtweg zu teuer.
Es ist spannend, wo das Leben hinführt, wenn man sich einfach leiten lässt. Dass wir in Deutschland eine Wohnung anmieten, wäre das letzte, was auf unserer ToDoListe gestanden hätte. Selbst im Februar hätte ich es noch für einen Witz gehalten.
Ich merke immer wieder, wie wichtig es ist, das Bauchgefühl zu hören und ihm uneingeschränkt zu folgen, auch wenn man denkt, es sei total idiotisch. Das Leben ist ein Abenteuer und die Wege mal Autobahnen, mal Waldwege und mal total verschlungen.