Eine Stadt, deren Bewohner sich Sevillaner nennen, wollte ich dann doch kennenlernen, obwohl ich eigentlich nur vorbeifahren wollte. Peter wurde 24 km weiter auf einem bewachten Stellplatz belassen, den ich jedem Wohnmobilisten nur empfehlen kann Multiparking La Jabega. Die Stellplatzbetreiberin fuhr uns heute morgen zur Bushaltestelle und mit dem Schnellbus waren wir stressfrei innerhalb von 30 min mitten in Sevilla, um genau zu sein am Plaza de Espana.
Ich wusste, ich wollte die Kathedrale sehen und Real Alcazár. Ebenfalls standen zwei Märkte auf dem Programm. Ein Hippiemarkt, den ich mir hätte schenken können, und der Donnerstagsflohmarkt in der Calle Feria. Der Stadteil Macarena, in dem sich die Calle Feria befindet, ist durchzogen von kleinen Gassen wie bei einem Labyrinth. Jeder Winkel lockt zum Erkunden, das spanische Leben ist präsent. Man merkt, dass sich Touristen eher selten hierher verirren, denn es ist von den üblichen Attraktionen weit entfernt. Wir haben dort sehr viel Zeit verbracht und Sevilla von einer wunderschönen Seite kennengelernt.
Jedenfalls blieb nur noch Zeit für eine der Hauptsehenswürdigkeiten: Kathedrale oder Alcazár? Die Kathedrale ist von außen beeindruckend, sehr beeindruckend groß. Doch, da wir ins Alcazár kostenlos reinkamen, war die Entscheidung schnell klar. Anfangs dachte ich, wieso sollte man 2 Stunden für die Besichtigung eines Palastes benötigen. Ist doch nichts anderes als ein Schloss….Nun ja, ich hätte dort auch 8 Stunden verbringen können und hätte immer noch nicht alles gesehen.
Zutritt zum Palast erhält man erst nach einer ausgiebigen Sicherheitskontrolle, die deutlich strenger als am Flughafen ist. Danach kann man sich sehr frei auf dem Gelände, welches nach wie vor von der Königsfamilie bewohnt wird (sofern sie in Sevilla sind) bewegen. Die ersten beiden Gebäude erinnerten mich eher an ein Fachgeschäft für Fliesen. Die wirklich wunderschönen Fliesen bekleiden jede Wand, jeden Boden und auch die Decken. Zusätzlich sind sie dann noch in Vitrinen ausgestellt…Jede einzelne…Ich habe mich gelangweilt. Das änderte sich als ich plötzlich mitten im Palacio del Rey stand und sprachlos war. Gold an den Decken, Mosaikarbeiten an den Wänden…Ich versuchte mir vorzustellen, wie die „Bauarbeiter“ diese Schmuckstücke erstellt haben. Jede Fliese wurde handbemalt (und davon gibt es, wie ich oben schrieb, Millionen). Auch wenn ich nichts von Architektur verstehe, empfinde ich den Real Alcazár als ein Meisterwerk der Baukunst, dessen Entstehung bis in die maurische Zeit zurückreicht. Es sprengt meine Vorstellungskraft, wie ein solches prunkvolles Gebäude ohne Maschinen gebaut werden konnte.
Leider war irgendwann die Zeit vorbei und der Palast schloss die Tore. Ich wurde praktisch persönlich herausgebeten.
Sevilla, eine Großstadt mit Entschleunigungsfaktor, eine Großstadt, in der keine Hektik herrscht, sondern die Uhren etwas langsamer ticken, eine Großstadt, die einen Besuch wert ist und für den man sich mehr als 1 Tag Zeit nehmen sollte. Als die Sonne unterging, konnte ich einen kleinen Einblick in das verlockende Nachtleben gewinnen. Musiker spielten ihre Musik in den Gassen und ich wäre am liebsten irgendwo versackt. Diesem Wunsch konnte ich natürlich nicht nachgeben, denn irgendwann sind kleine Kinderbeine müde und wollen ins Bett.
Leider gehören auch in Sevilla Pferdekutschen zum Stadtbild und dienen der Bespaßung der Touristen. Mal abgesehen davon, dass ich Lebewesen grundsätzlich nicht als Entertainment ansehe, gehören Pferde nicht auf Asphalt, sondern auf große Wiesen. Pferde sind Dauerfresser und es ist Tierquälerei, sie von diesem natürlichen Bedürfnis fernzuhalten. Jedem, der grinsend eine Kutsche besteigt, sollte bewusst sein, dass er damit diese Tierqual unterstützt. Jeder, der ein wenig Mitgefühl in sich trägt, kann sehr gut erkennen, wie es den Pferden geht. Nicht nur in Sevilla, auch in Berlin, in Wien, in Marokko oder auf Mallorca.