Meistens knallig pink…
Manchmal ziehen Wolken auf, die jedoch schnell wieder verschwinden. Klar gibt es Situationen, die eine Herausforderung für einen von uns oder sogar für uns alle darstellen.
Die fehlende Rückszugsmöglichkeit ist ein wiederkehrender Stressor für mich und dadurch knallt es ab und an im Wohnmobil. Ein größeres Wohnmobil wäre natürlich eine Lösung, aber nur auf den ersten Blick. Peter hat exakt die perfekten Maße. Wir kommen mit ihm durch jede schmale Gasse und vor allem ist er noch ein 3,5tonner und somit sind wir nicht gezwungen Autobahn zu fahren (vor allem in Frankreich). Es ist besser klare Vereinbarungen über freie Zeiten für jeden von uns zu treffen und diese Vereinbarungen auch einzuhalten. 24 Stunden gemeinsame Zeit ist mir eindeutig zu viel. Im Großen und Ganzen ist dies unser einziger Streitpunkt.
In allen anderen Dingen haben wir schnell unseren Platz und Zuständigkeit gefunden. Die alltäglichen Dinge, wie kochen und putzen, teilen sich von selbst auf. Es putzt sich deutlich einfacher mit Blick auf das Meer und kochen ist zwar beengt, aber jeder Handgriff sitzt.
Einigkeit besteht auch über Dinge wie Verweilen oder Weiterfahren, wohin fahren, wie weit fahren, wo übernachten. Wir merken uns gegenseitig sehr gut an, wann wir hibbelig werden und eine Weiterfahrt ruft.
Das Off-Grid-Leben hat sowohl Frank als auch mir gezeigt, was Selbstverantwortung tatsächlich bedeutet. Vor der Reise dachten wir, Selbstverantwortung sei, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen; also im Endeffekt zu arbeiten, um sich und die Familie zu ernähren. Mittlerweile ist klar, dass „arbeiten“ so rein gar nichts mit Selbstverantwortung zu tun hat. Wir hatten irgendwie falsche Vorstellungen von der Definition. Was es tatsächlich bedeutet, kann ich schwer erklären. Es wurde mir das erste Mal bewusst, als wir 2000 m above sealevel in der Sierra Nevada verweilten und uns allen klar war, ein Arzt ist nicht in 5 Minuten und auch nicht in 2 Stunden bei uns. In dem Moment entstand erstmalig ein Satz in meinem Kopf: „Egal, es ist mein Leben und ich will das jetzt machen.“
Ja, ES IST MEIN LEBEN und darin haben weder Angst noch Verbote noch Ratschläge Platz. Ich bestimme, was ich wann und wie tue.
Exakt diese Übernahme der Selbstverantwortung bringt Unabhängkeit und Freiheit mit sich, die das Offgrid-Leben rosarot bis pink machen. Einerseits bildet sich eine ungeahnte Stärke und zeitgleich eine unglaubliche Gelassenheit im Innern. Die eigenen Bedürfnisse verschaffen sich lautstark Gehör und dies wiederum ermöglicht eine klare und direkte Kommunikation im Außen. Es gibt nur noch Ja oder Nein. Gedanken und Gespräche erlangen eine wunderbare Tiefe. Für Smalltalk bin ich nun endgültig das falsche Gegenüber.
Ich hatte Ängste und Zweifel vor einem Leben in einem rollenden Zuhause, in fremden Ländern, ohne geregelte Arbeit, ohne die alltäglichen Gewohnheiten, ohne Sicherheiten, ohne alles das, was mein Leben war. Das alles Loszulassen hat mir eine Wahnsinnsangst eingejagt. Heute bin ich stolz auf meinen Mut und ich wurde belohnt. Denn für mich ist das Leben nun viel einfacher als das Leben im Hamsterrad. Durch die tägliche Anpassung an neue Umstände kann es keine Gewohnheit geben.(Also das, wovor ich am meisten Angst hatte.) Exakt das ist nach meiner Ansicht nun der Schlüssel zu meiner Zufriedenheit. Alte Verhaltensmuster und festsitzende Gedankengänge helfen mir nicht mehr weiter und automatisch erfolgt eine Veränderung der Strukturen. Eine lösungsorientierte Denkweise macht sich breit. Probleme lösen sich nicht in Luft auf, sie werden zu Aufgaben, die ich löse oder auch mal nicht löse. Nicht mehr und nicht weniger.
Ja es ist beängstigend, sein Leben hinter sich zu lassen und neue Schritte zu wagen. Ob es nun reisen, auswandern, selbstversorgen oder sonst was ist, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist, dass es der eigene Weg ist, auf dem man wandelt; das eigene Leben, in das man einsteigt. Und schwupps schon ist es pink wie ein Flamingo….