– Wenn das Kind abgemeldet ist, tanzt die Familienkasse Tango –
Gesetzliche Regelungen
Für den Kindergeldbezug gelten die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Bundeskindergeldgesetzes. Das BKGG regelt den Kindergeldbezug ausschließlich für beschränkt Steuerpflichtige. Eine Variante, die bei reisenden Familien und/oder abgemeldeten Kindern eher die Ausnahme ist. Ich beschränke mich daher auf den Kindergeldbezug nach dem EStG. Ebenfalls gehe ich der Einfachheit halber davon aus, dass das Kind bei Mutter und/oder Vater lebt.
Kindergeldberechtigter ist derjenige, der den Antrag stellt und an den das Kindergeld ausgezahlt wird. Es wird nicht für DIE ELTERN bewilligt, sondern nur der Mutter oder nur dem Vater. Bei Antragstellung müssen sich die Eltern einigen, wer von ihnen das Kindergeld beantragt. Das kann jederzeit geändert werden.
Voraussetzungen
Für den Bezug von Kindergeld sind folgende Voraussetzungen nach §§ 62, 63 EStG zwingend erforderlich:
Erste Konstellation:
- Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland
- Haushaltszugehörigkeit des Kindes
- Steuer ID des Kindes
Zweite Konstellation (Langzeitreisende):
- Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt innerhalb der EU
- Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland
- Haushaltszugehörigkeit des Kindes
- Steuer ID des Kindes
Merke: In beiden Konstellationen ist nicht die Meldeadresse, sondern der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt erforderlich. Die Unterschiede zwischen Wohnsitz/Meldeadresse/gewöhnlicher Aufenthalt kannst du hier nachlesen.
Steuer ID des Kindes:
Wird beim Bundeszentralamt für Steuern beantragt.
Unbeschränkte Steuerpflicht des Kindergeldberechtigten:
Sie liegt automatisch vor, wenn dein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland liegt.
Sofern sich dein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt innerhalb der EU befindet, liegt die unbeschränkte Steuerpflicht vor, wenn du KEINE (also Null) Einkünfte oder ausschließlich Einkünfte erzielst, die in Deutschland zu versteuern sind. Ob du tatsächlich Steuern zahlst oder die Einkünfte nur gering sind, ist irrelevant. Wichtig ist nur, für die Einkünfte, die du erzielst, fertigst du eine deutsche Steuererklärung.
Erzielst du gar keine Einkünfte, aber dein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt ist innerhalb der EU, aber nicht Deutschland, wird es kompliziert, denn das Finanzamt bzw. die Familienkasse verlangt einen Nachweis vom Finanzamt deines Wohnortes, dass du im Land XY keine Steuern zahlst. Ist für Reisefamilien kaum umsetzbar.
Die Haushaltszugehörigkeit
ist schlechthin der Knackpunkt, mit dem Unschooler (egal ob reisend oder in Deutschland ansässig) zu kämpfen haben. Das Kind ist abgemeldet und vermutlich auch noch ein oder gar beide Elternteile.
Zwar kommt es nicht auf die Meldeadresse an, jedoch veranlassen die Familienkassen regelmäßig Datenabgleiche mit der Meldebehörde. Die Meldeadresse wird als Indiz für die Haushaltszugehörigkeit bzw. gegen eine Haushaltszugehörigkeit gewertet.
Ist das Kind abgemeldet, kommt das allseits bekannte Schreiben der Familienkasse mit der Aufforderung die Haushaltszugehörigkeit nachzuweisen und schlimmstenfalls folgt die vorläufige Einstellung der Kindergeldzahlung.
Nun gilt es kreativ zu sein und mit Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt zu jonglieren und der Familienkasse klar zu machen, dass die Meldeadresse uninteressant ist. Der Haushaltszugehörigkeit widme ich demnächst einen eigenen Beitrag.
Fazit:
Kindergeld sollte aus Vereinfachungsgründen das Elternteil beantragen, das in Deutschland gemeldet bleibt und/oder hier Einkünfte erzielt (insbesondere, wenn ihr nicht verheiratet seid).
Die Familienkassen können einen Aufenthaltsnachweis verlangen, daher ist Vorsicht und eine besondere Vorgehensweise geboten, wenn eure Reisen über die Grenzen der EU hinausgehen und diese länger als 183 Tage andauern.
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Hey, vielen Dank für die Artikel. Die sind sehr hilfreich.
Ich habe eine Frage zu dem der Teil hier:
>> daher ist Vorsicht und eine besondere Vorgehensweise geboten, wenn eure Reisen über die Grenzen der EU hinausgehen und diese länger als 183 Tage andauern.<183 Tage) und sie mich teilweise bei mir ist?
Ich kann mir das nicht vorstellen aber dein Satz klang für mich so als ob es einen Weg gäbe (im Graubwreich)
Hallo Micha, ich verstehe deine Frage nicht. Was ist damit gemeint „sie mich teilweise bei mir ist“? Und welche Grauzone suchst du? Kindergeld wird nur für Kinder gezahlt die innerhalb der EU/EWR einen WOHNSITZ haben, nachweisbar durch Meldeadresse. Zu unterscheiden ist natürlich Reisen vom Wohnen.
Reist eine Familie z.B. für 1 Jahr nach Australien, behält in Deutschland die Wohnung und gibt der Fam.Kasse klar zu verstehen, dass es sich um eine Reise mit Rückkehrabsicht und keine Auswanderung handelt, wird das Kindergeld sehr wahrscheinlich weitergezahlt, da der Wohnsitz immer noch Deutschland ist und bleibt und auch keine Steuerpflicht in Australien begründet wird.
Schwierig wird es in dem Moment, wo das Kind abgemeldet wird oder auch ein oder beide Elternteile. Dann liegt die Vermutung nahe, dass keine Rückkehrabsicht besteht und es sich nicht nur um „reisen“ handelt. Wer reist, meldet sich für gewöhnlich nicht ab. Das Kindergeld wird daher sehr wahrscheinlich nicht ohne Weiteres weitergezahlt. Die Kindergeldzahlung steht und fällt mit der Abmeldung des Kindes. Das ist seit 2018 leider so, nach einer Gesetzesänderung. Es ist also für das Kindergeld egal, ob sich das Kind in Spanien oder Australien aufhält, solange das Kind in D gemeldet ist. Bei einer Abmeldung des Kindes wird das Kindergeld meistens eingestellt, bis man den EU Aufenthalt nachgewiesen hat. Kann man das nicht nachweisen, wird kein Kindergeld mehr gezahlt.
Ich hoffe ich konnte deine Frage beantworten. Ansonsten bitte konkretisieren, was du mit „Grauzone“ meinst.
Gibt es bereits Urteile? Die Behörden gehen von einem Zahlwort aus. In EINEM Land der EU. Es reicht ihnen wohl nicht dass wir in mehreren Ländern in der EU reisend unseren Aufenthalt haben. sie wollen den gewöhnlichen Aufenthalt in EINEM Land in der EU trotz unbeschränkter Steuerpflicht. Ein bereits gefälltes Urteil würde mir hier sehr helfen.
Urteile gibt es dazu nach meinem Kenntnisstand nicht, da Reisende es grundsätzlich vermeiden, vor Gericht zu ziehen und es im Anhörungsverfahren spätestens im Widerspruchsverfahren meist geklärt wird. Dass sie von EINEM Land ausgehen, liegt daran, dass seit 2018 das Bundeszentralamt für Steuern eine FAMILIENWOHNUNG für den Bezug von Kindergeld definiert hat. Als Indiz wurde hierfür die Meldeadresse festgelegt. Es ist auch für Behörden nicht logisch, seinen Wohnsitz/gA in mehreren Ländern zu haben, wenn man zeitgleich sagt, man reist. Wenn man reist, hat man irgendwo einen Wohnsitz/Lebensmittelpunkt, auch wenn es keine Meldeadresse gibt. Irgendwo wohnen Großeltern, Freunde, Familie usw., die als Indiz des Lebensmittelpunktes dienen. Wenn man reist, wohnt man doch nicht überall. So kann man nicht vor der Familienkasse argumentieren. Sondern man reist und trotzdem bleibt der Wohnsitz (nicht zu verwechseln mit dem gA) in Deutschland. Reisen ist doch nichts anderes als ein längerer Urlaub. Ich verstehe immer nicht, wie man darauf kommen kann, zu merkwürdig zu argumentieren, dass man dann ja in vielen Ländern den Wohnsitz hat. Völlig falsch beim Reisen. Wenn man in DE gewohnt hat, dann bleibt dort auch der Wohnsitz, denn es ist und bleibt aufgrund z.B. Familienzugehörigkeit der Lebensmittelpunkt. Es würde doch niemand auf die Idee kommen, der 6 Wochen Urlaub auf den Kanaren macht, der Familienkasse zu sagen, so ich bin jetzt wohnsitzmäßig erstmal auf den Kanaren. Warum nur soll es anders sein, wenn man 1 oder 2 Jahre reist? Ist es nicht. Zumindest nicht, wenn die Rückkehrabsicht nicht DE besteht und das sollte im Zweifelsfall immer das Argument sein, gegenüber der Familienkasse, gerade, wenn keine Meldeadresse mehr bestehen sollte. Und die unbeschränkte Steuerpflicht ist nur bei ECHTER Auswanderung relevant, siehe einen meiner anderen Beiträge.