Wenn Kindergeldbezug zur Steuerhinterziehung wird –
In Teil 1 habe ich dargelegt unter welchen Voraussetzungen Kindergeld nach dem EstG ausgezahlt wird. Wir persönlich werden oft mit dem Satz konfrontiert: „Durch die Gegend reisen und Kindergeld kassieren, das sind die Richtigen.“ Aus welchen Beweggründen dieser Satz ausgesprochen wird, sei dahingestellt. Was meinem Gesprächspartner eindeutig fehlt, ist rechtliches Wissen.
Kindergeld nach dem EstG ist keine Sozialleistung
(wie immer noch so viele glauben), sondern eine Steuerentlastung für Eltern. Es wird Einkommen in Deutschland erzielt oder aus anderen Gründen liegt eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland vor, haben Eltern Anspruch auf die Steuerentlastung namens Kindergeld oder bei hohen Einkommen auf den Kinderfreibetrag. Ich soll brav meine Steuern in Deutschland zahlen, aber keine steuerlichen Vorteile geltend machen dürfen, nur weil ich reise? Warum?
Allerdings kann es Rückzahlungen und empfindliche Geldstrafen zur Folge haben, wenn Kindergeld zu Unrecht bezogen wurden. Denn nur ein Kind zu haben, das die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, reicht nicht aus.
Rückzahlung des Kindergeldes und Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung
Die Familienkassen, obwohl gern bei der Agentur für Arbeit angesiedelt, sind untergeordnete Steuerbehörden mit weitreichenden Befugnissen. Stellt sich heraus, dass zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde, muss das Kindergeld zurückgezahlt werden.
Die Rückzahlung ist gesetzlich meist auf die letzten 4 Jahre begrenzt, kann aber durchaus bei vorsätzlich verletzten Mitwirkungspflichten darüber hinaus gehen. Hinzu können Geldbußen verhängt oder sogar ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet werden. Leider kam es dazu in den letzten beiden Jahren gehäuft bei Familien mit abgemeldeten Kindern.
Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten des Kindergeldberechtigten
Im vorigen Absatz fiel das Wort Mitwirkungspflichten. Diese ergeben sich aus § 68 EstG. Insbesondere Wohnsitzwechsel oder Änderung der Haushaltszugehörigkeit sind der Familienkasse umgehend mitzuteilen.
Durch den jährlich durchgeführten Meldeabgleich bleibt es sowieso kein Geheimnis mehr, wenn ihr das Kind abmeldet. Die Abmeldung wird als Indiz gesehen, dass das Kind nicht mehr zum Haushalt des Kindergeldberechtigten gehört.
Leider handeln viele Kindergeldberechtigte noch nach dem Motto „einfach tot stellen“ die Familienkasse wird das schon nicht merken. Genau das sind übrigens die Fälle, bei denen Strafverfahren wg. Steuerhinterziehung eingeleitet wurden.
Unsere Vorgehensweise
Wir persönlich haben mit offenen Karten gespielt. Vor Beginn unserer Reise setzten wir die Familienkasse in Kenntnis, dass wir innerhalb der EU unterwegs sind. Das Kindergeld wurde kurzzeitig eingestellt, allerdings nur, weil sie sich nicht einigen konnten welche Kindergeldkasse zuständig ist.
Kindergeldberechtigung intern festlegen
Hilfreich ist ebenfalls die Kindergeldberechtigung mittels eidesstattlicher Versicherung festzulegen. Heißt, dem Elternteil, das in Deutschland trotz Reisen der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, wird vom anderen Elternteil nochmals ausdrücklich die Berechtigung zum Erhalt des Kindergeldes erteilt.
Auch bei verheirateten Eltern ist es ein schneller und einfacher Weg, der Kindergeldkasse, die Einigkeit der Eltern darzulegen.
Die Familienkassen stellen die Zahlungen nämlich nicht ein, um euch zu ärgern oder euch die Steuererleichterung abspenstig zu machen, sondern schlicht aus dem Grund, weil sie Bedenken haben, dem „Falschen“ das Kindergeld auszuzahlen und mit Regressansprüchen des „Richtigen“ konfrontiert zu werden.
Es ist ein für mich durchaus logische Schlussfolgerung, die Abmeldung eines Kindes als Indiz zu werten, dass es nicht mehr bei dem noch angemeldeten und bisherigen Kindergeldberechtigten lebt und demzufolge Zahlungen stoppen und nachhaken.
Kindergeld ohne Einkünfte in Deutschland
Kompliziert wird es bei den Familien, wo die Kindergeldberechtigung lediglich auf der noch vorhandenen Meldeadresse eines Elternteils begründet liegt.
Im Klartext, es wird kein Einkommen in Deutschland erzielt.
Die Meldeadresse ist jedoch für die unbeschränkte Steuerpflicht ohne Bedeutung. Es ist der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt ausschlaggebend, um einer unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland auch ohne Einkommen zu unterliegen.
Wenn jedoch mit „reisend“ argumentiert wird, lässt sich sehr schwer eine Anwesenheit von mind. 183 Tagen in Deutschland nachweisen. Um lediglich durch den Wohnsitz die unbeschränkte Steuerpflicht zu kreieren, müsst ihr euch nachweislich mehr als 6 Monate in Deutschland aufhalten.
Hier könnt ihr bei Bedarf nachlesen:
Unterschiede Meldeadresse/gewöhnlicher Aufenthalt/Wohnsitz
Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld
Haushaltszugehörigkeit des abgemeldeten Kindes
Wie ihr die Haushaltszugehörigkeit eures abgemeldeten Kindes nachweist, folgt in einem gesonderten Beitrag. Denn das ist ein weiterer Knackpunkt bei dem unbeschränkt steuerpflichtigen Elternteil und dem abgemeldeten Kind. Die Abmeldung wird durch die Familienkasse als Indiz gewertet, dass das Kind den Haushalt verlassen hat. Das ist die Situation, auf der das gesamte Augenmerk ruht.
Anhörung und Rückforderung
Bevor es einen Rückforderungsbescheid ergeht, erhaltet ihr einen Anhörungsbogen. An dieser Stelle ist es bereits sehr wichtig, sachlich, rechtlich fundiert und offen Stellung zu nehmen.
Leider denken sich viele Familien haarsträubende Geschichten aus, die letztendlich für niemanden mehr nachvollziehbar sind oder glaubwürdig erscheinen. Eure persönlichen Umstände, interessieren die Familienkassen ebensowenig wie eure Emotionen. Wichtig ist, dass ihr die Voraussetzungen (siehe meinen Beitrag Teil 1) nachweist. Ob ihr reist, in Deutschland wohnt oder bei Vollmond nackt um das Feuer tanzt, ist völlig irrelevant. Wichtig ist, die Voraussetzungen zu bestätigen.
Aufgrund eurer Stellungnahme wird entschieden, ob ihr weiter Kindergeld erhaltet oder ob das Kindergeld eingestellt wird und/oder sogar zurückgefordert wird. Diese Anhörung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es ist die beste Möglichkeit, die Angelegenheit schnell und zu eurer Zufriedenheit zu lösen. Denn nach erfolgloser Stellungnahme bleiben nur das unerfreuliche Widerspruchsverfahren und ggf. ein langwieriges zermürbendes Klageverfahren.
Sofern ihr einen Rückforderungsbescheid erhalten habt, ist es wichtig, ALLE Instanzen auszuschöpfen. Die meisten Familien legen noch in Eigenregie Widerspruch ein. Den ablehnenden Widerspruchsbescheid lassen sie dann stehen und scheuen das Klageverfahren.
Das kann ich nicht empfehlen. In der Vergangenheit wurde dieses Verhalten als Schuldeingeständnis gewertet. Durch den rechtskräftig gewordenen Widerspruchsbescheid und der dann erfolgten Rückzahlung des Kindergeldes, wurde den Familien Vorsatz unterstellt und das Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet.
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Hallo,
mich würde interessieren, wie man einen gewöhnlichen Aufenthalt nachweist.
Dankeschön und schöne Reise weiterhin